Polit - Zirkus in Kenia

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    Polit - Zirkus in Kenia

    Präsident Kibaki hält schützende Hand über Skandalminister
    Von Horand Knaup, Nairobi

    Was nach einem Akt überraschender politischer Hygiene aussah, entwickelt sich nun zur Regierungskrise: In Kenia hat Premier Odinga zwei Skandalminister geschasst, doch Staatspräsident Kibaki setzte sie nur Stunden später wieder ein - und konterkariert so den Kampf gegen die Korruption.
    Es schien am Sonntagnachmittag für wenige Stunden, als sei in Kenia ein neues Zeitalter angebrochen. Als sei die Zeit der Straflosigkeit für skandalträchtige Minister, Abgeordnete und Staatsbeamte vorbei. Als müsste das politische Führungspersonal endlich damit rechnen, für verantwortungslose oder betrügerische Arbeit zur Rechenschaft gezogen zu werden.
    In einem überraschenden Schritt suspendierte Premierminister Raila Odinga, (Orange Democratic Movement/ODM), 65, Agrarminister William Ruto (ODM), 43, und Erziehungsminister Sam Ongeri (Party of National Unity/PNU) von ihren Ämtern. Unabhängige Untersuchungen hatten in beiden Häusern millionenschwere Skandale zu Tage gefördert.

    Doch nur Stunden später widersprach Präsident Mwai Kibaki, 78, der Entmachtung. "Der Premierminister hat keine Befugnis, einen Minister seines Amtes zu entheben", teilte er schriftlich mit. Es habe keine Gespräche innerhalb der Regierung über die Suspendierung gegeben. Dennoch werde der Kampf gegen die Korruption natürlich unvermindert weiter gehen.
    Beim sogenannten Maisskandal waren im vergangenen Jahr Beträge in Höhe von mindestens 26 Millionen Dollar veruntreut oder in private Taschen abgezweigt worden. Während Millionen von Kenianern hungerten, hatten hochrangige Beamte und Politiker Dürre und explodierende Marktpreise ausgenutzt, staatlich subventionierten Mais aufgekauft und zu erhöhten Preisen auf den Schwarzmarkt oder ins benachbarte Ausland weiter verschoben.
    Im Bereich des Erziehungsministeriums war mindestens eine Million Euro, die für die kostenlose Primarschulerziehung vorgesehen war, über veruntreute Gelder, falsche Rechnungen und abgezweigte Mittel versickert. Prüfer fielen unter anderem Rechnungen für Fortbildungsseminare in die Hände, die nie stattgefunden hatten. Seit Beginn des freien Grundschulunterrichts im Jahr 2003 sind Millionen von Schulbüchern einfach verschwunden und vermutlich auf dem Schwarzmarkt verkauft worden. Der Skandal hatte in Kenia für besondere Empörung gesorgt, weil vielen Schülern mangels staatlicher Mittel das Schulessen gestrichen worden war und ohnehin Millionen von Kindern den Unterricht ohne ausreichendes Lehrmaterial bestreiten müssen.
    Die USA und Großbritannien, die das kenianische Erziehungssystem mit Millionenbeträgen unterstützen, hatten ihre Zahlungen bis zur Klärung des Skandals ausgesetzt.
    Skandalfreie Ministerien sind schwer zu finden.
    Beide Affären beschäftigen das Land seit Monaten, ohne dass einer der verantwortlichen Politiker bisher Konsequenzen gezogen hätte. Korruption ist eines der großen Übel in der kenianischen Politik. Kaum ein Ministerium ist skandalfrei. Staatspräsidenten, Minister und Abgeordnete haben sich in den vergangenen 45 Jahren unermesslich bereichert, so dass auch kleine Beamte oder Polizisten auf der Straße ihren Hauptjob so interpretieren, dass er ihnen zu maximalen Nebeneinkünften verhilft.
    Landwirtschaftsminister Ruto hatte wiederholt geäußert, er werde dann Verantwortung übernehmen, wenn auch andere dazu bereit seien. Erziehungsminister Ongeri steht auf dem Standpunkt, er persönlich habe sich nicht bereichert, habe also auch keinen Anlass, über einen Rücktritt nachzudenken. Ongeri ist schon mehrfach ins Gerede gekommen, einerseits wegen eines dubiosen Grundstück-Deals, andererseits weil er einräumte, seinem Wahlkreis besonders viel Geld zugeschanzt zu haben.
    Ende vergangener Woche hatte dann Premierminister Raila Odinga zweien seiner eigenen Spitzenbeamten, denen ein enger Bezug zur Mais-Affäre unterstellt wird, darunter ein Staatssekretär, nahe gelegt, ihre Amtsgeschäfte für drei Monate ruhen zu lassen. Das setzte den Staatspräsidenten unter Druck. Unmittelbar danach suspendierte Kibaki sechs weitere Spitzenleute aus den fraglichen Ministerien, darunter drei weitere Staatssekretäre. Die umstrittenen Minister jedoch ließ er im Amt.
    Kenia wird seit knapp zwei Jahren von einer fragilen großen Koalition regiert.
    Kibaki und Odinga hatten sich - unter Vermittlung von Ex-Uno-Generalsekretär Kofi Annan - im März 2008 auf eine Koalition verständigt, nachdem der Wahlsieger der Präsidentschaftswahl nicht zu ermitteln war und bei blutigen Auseinandersetzungen insbesondere zwischen den Volksgruppen der Kikuyu, Luo und Kalenjin mindestens 1300 Menschen ums Leben gekommen waren. Hunderttausende waren damals vertrieben worden.
    Die aktuelle Krise erwischt Kenia in einer heiklen Phase. Das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und seinem Premier, das maßgebliche Fundament der Koalition, ist schwer angeschlagen. Immer schwerer fällt es ihnen, sich auf gemeinsame Positionen zu verständigen. Zudem beraten die Parteien gerade intensiv über eine neue Verfassung. Vor allem aber ermittelt der Internationale Gerichtshof in Den Haag gegen maßgebliche Hintermänner der Unruhen. Hartnäckigen Gerüchten zufolge dürfte Agrarminister Ruto zu der Hand voll Brandstiftern gehören, gegen die Anklage erhoben wird. Er hatte 2008 Raila Odinga unterstützt, gehört inzwischen aber zu dessen entschiedensten Kritikern und hegt eigene Ambitionen aufs Präsidentenamt. Die nächste Wahl findet zwar erst Ende 2012 statt, doch das Wettrennen hat längst begonnen.
    Eines der nützlichsten Tiere ist das Schwein. Von ihm kann man alles verwenden, das Fleisch von vorn bis hinten, die Haut für Leder, die Borsten für Bürsten und den Namen als Schimpfwort. (Kindermund)